A. Pritz, J. Fiegl, H. Laubreuter & B. Rieken (Hrsg.)
Universitäres Psychotherapiestudium
Das Modell der Sigmund Freud PrivatUniversität
Vorwort von Alfred Pritz, Jutta Fiegl, Heinz Laubreuter & Bernd Rieken
Sigmund Freud, die bedeutendste Persönlichkeit der Psychotherapie und der Psychoanalyse des 20. Jahrhunderts haderte oftmals mit der Ignoranz der damaligen universitären Welt, der Psychoanalyse jene Bedeutung zu geben, die sie verdient hätte (Freud, 1919a, S. 192ff.).
Es dauerte fast 100 Jahre, bis es gelang, die Psychoanalyse und die Psychotherapie an einer Universität zu verankern, aber nicht nur zu verankern, sondern die Psychotherapieentwicklung der letzten Jahrzehnte in Österreich, Deutschland, ganz Europa und darüber hinaus war konstitutiv für die Gründung einer eigenen Universität im Jahr 2003: der Sigmund Freud PrivatUniversität (staatliche Akkreditierung 2005). Die ersten Studiengänge waren ein Bakkalaureat und ein Magisterstudium der Psychotherapiewissenschaft, etwas später kam ein Doktoratsstudiengang der Psychotherapiewissenschaft dazu.
Es waren mehrere Motive, die zur Gründung der SFU geführt haben:
a) das berufsrechtliche Motiv: Seit 1985 (Schweden) bis heute sind 13 Gesetzesmaterien in europäischen Ländern entstanden, die die Ausübung des Berufes des Psychotherapeuten/der Psychotherapeutin regeln. Alle sehen im Prinzip eine Eigenständigkeit des Berufes vor, nicht nur als postgraduale Weiterbildung in Berufen wie Medizin, Psychologie oder Sozialarbeit. Aber ein grundständiges Studium, wie es etwa nun die deutsche Gesetzgebung seit September 2019 vorsieht, war bisher noch nicht formuliert worden. In unseren Köpfen existierte es aber bereits Anfang dieses Jahrtausends. Akademisierung, also ein Direktstudium, was bedeutet, dass die psychotherapeutische Profession als Erstidentität erworben wird und nicht über einen Umweg einer vorherigen Berufsausbildung. Nicht zuletzt bewegte sich die Gesetzgebung auch in Richtung der Psychologie und es war uns wichtig, durch das Studium die Anerkennung der Psychotherapie als eine mit anderen gleichberechtigte wissenschaftliche Disziplin herzustellen. Damit verbunden war auch die Bedeutung beider Berufe für eine mögliche Krankenkassenvergütung für die jeweiligen Leistungen (Psychotherapie auf der einen Seite, Testpsychologie und psychologische Behandlung auf der anderen Seite). Dafür bedurfte es einer akademischen Grundlage der Psychotherapie.
b) das theoretische Motiv: Psychotherapie als Beruf ist nicht nur bestimmt durch die Praxeologie eines Handwerks, sondern auch durch die theoretischen Vorannahmen und Theoriemodelle der menschlichen Seele sowie ihrer Abweichungen von der Norm und ihrer Pathologien. So stellte sich die neue Universität ab 2005 dieser Aufgabe, Theoriebildung und psychotherapeutische Praxis zu verschränken und auszubauen. Die Theoriebildungen sollten Allgemeines hervorbringen, das Spezielle der verschiedenen Psychotherapiemethoden, die wir lehren wollten, aber nicht zum Verschwinden bringen, denn dabei handelt es sich um Wissensgut, das in den letzten 200 Jahren eine entsprechende wertvolle Entwicklung erfahren hat. Aber es geht nicht nur um Historie, eine Universität hat wesentliche Aufgaben im Bereich der Forschung, die dem Gegenstand „Die menschliche Seele“ angemessen und in die Zukunft weisend wahrgenommen werden sollen.
c) das Lehrmotiv: Wir stellten uns der Herausforderung, Psychotherapie an der Universität zu lehren und unser Modell denen entgegenzustellen, die die Lehrbarkeit der Psychotherapie entweder leugneten oder abwerteten. Neben dem theoretischen Unterricht benötigte es sowohl praktische Erfahrungen, die in unserer dafür errichteten psychotherapeutischen Ambulanz gesammelt und auch supervidiert werden sowie eine sogenannte „Lehrtherapie“. Besonders die Lehrtherapie war anfangs umstritten: Der Student, die Studentin müssen sich „neben dem Studium“ einer Selbsterfahrung unterziehen, die dazu führen soll, dass sich der/die Studentin nicht nur mit der „Sache“, sondern auch mit sich selbst auseinandersetzt und damit seine/ihre eigene Persönlichkeit in das komplexe psychotherapeutische Geschehen miteinbringt. Da in dieser Lehrtherapie immer auch sehr persönliche und intime Details erörtert werden, war von vornherein klar, dass die Vertraulichkeit dieser Beziehung – wie später auch die therapeutische Beziehung – gewahrt werden musste. Daher bestätigt der/ die Lehrtherapeutin lediglich die Absolvierung, verwahrt aber vertraulich die Inhalte.
Das vorliegende Buch versammelt die an der SFU Wien in der Fakultät tätigen Wissenschaftlerinnen, die sich jeweils einem speziellen Thema zugewandt haben und so einen Eindruck über die Tiefe, aber auch Breite des Faches „Psychotherapiewissenschaft“ geben.
Wien, am 24.05.2020
Link zum Buch: Pabst Verlag
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