Der Kindsmord in Fantasie und Realität 
Kannibalismus und Vampirismus in Kunst und Medizin

Wer sich mit dem Menschenopfer, insbesondere mit der Ermordung von Kindern, intensiver beschäftigt, wird fast unvermeidlich von unglaublichem Staunen, vermischt mit Entsetzen, erfasst. Zunächst die Überraschung darüber, dass diese Phänomene – Neonatizid, Infantizid, Filizid – auf allen Kontinenten und zu allen Zeiten häufig vorkommen, aber in unterschiedlichem Ausmaß thematisiert werden.

Die Motive für die Ermordung kleiner Kinder sind nun überaus unterschiedlich. Sie reichen von rituellen religiösen Opferungen zur Versöhnung der Götter, über ökonomische und soziale Beweggründe, gesundheitspolitische Erwägungen, hasserfüllte Kindesmisshandlung mit tödlichem Ausgang, bis hin zu erweitertem Suizid oder Rache am untreuen Partner.

Zu jedem Kindesmord gehört eine spezifische Psychodynamik mit entsprechenden Ängsten und Wünschen. Religionsgeschichte, literarische Thematisierung, Rechtsgeschichte und Medizingeschichte können dabei nicht ausgeblendet werden und sollen zusammenfassend und an Hand markanter Beispiele einbezogen werden. Die Psychoanalyse kann hier gewiss einiges zum tieferen Verständnis dieser erschreckenden und unheimlichen mörderischen Praxis beitragen. Ähnliche intrapsychische Vorgänge begleiten auch eine Vielfalt menschlicher Konflikte, bei denen es nicht konkret zur faktischen Tötung eines Babys oder Kleinkindes kommt. Dazu gehören bewusste oder unbewusste Mordphantasien gegenüber Kindern, Abtreibungen, psychogene Unfruchtbarkeit, vermutlich auch Empfängnisverhütung und embryonale Stammzellentherapie.

Themen des Vortrags mit anschließender Diskussion

  • Frühgeschichtliche Opferungen von Kindern
  • Matriarchalische und patriarchalische Kindesopfer
  • Infantizid in der Geschichte des christlichen Europas
  • Zur psychoanalytischen Diskussion des Medeakomplexes
  • Die Figur der Medea als Männerfantasie (Iason-Komplex?)
  • Exzessiver Frauenhass bei Otto Weininger als Variante des Medea-Komplexes
  • Kannibalismus und Vampirismus in Kunst und Medizin
  • Spuren kannibalischer Lust

 

 

Univ.-Prof. Dr. Rainer Danzinger

Univ.-Prof. (Meduni Graz, SFU Wien)
Psychoanalytiker (Wiener Arbeitskreis, IPA), Psychiater
Ehemals Leiter psychiatrischer Abteilungen in Klosterneuburg, Salzburg und Graz

Publikationen unter www.rainerdanzinger.at