Die SFU Berlin lädt im Wintersemester 2017/18 wieder zum öffentlichen Dienstagskolloquium ein!
16. 01. 2018 um 19.00 Uhr
Prof. Dr. Lisa Malich (Lübeck)
Eine Naturwissenschaft werden: Zur Geschichte der klinischen Psychologie in der BRD
„Assoziationen von Hitler“: Reinigungsarbeiten in der Psychotherapie
Der Eintritt ist frei! Wir freuen uns auf Ihr Kommen.
Einen Überblick der Vorträge finden Sie hier…Dienstagskolloquium_2017/18 (pdf)
Info zum Vortrag:
Die psychotherapeutische Praxis ist heute eine Domäne der klinischen Psychologie und wird besonders von verhaltenstherapeutische Ansätzen dominiert. Prägend für die sich in den 1970er Jahren formierende klinische Psychologie war das Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. Denn hier waren ab den 1960er Jahren nicht nur viele Personen tätig, die wenig später zentrale psychologische Lehrstühle besetzen sollten. Sondern von hier aus wurde auch die Verhaltenstherapie im deutschsprachigen Raum verbreitet und institutionalisiert.
In meinem Vortrag werde ich mich mit der institutionsgeschichtlichen Dynamik am Max Planck Institut für Psychiatrie in den 1960er und 1970er Jahren beschäftigen, indem ich mich auf einen Konflikt zwischen zwei bedeutsamen Akteuren der Wissenschaften von der Psyche konzentriere:
Einerseits Johannes C. Brengelmann (1920–1999), der 1963/64 zum Direktor und Leiter der psychologischen Abteilung berufen wurde und 1986 am Institut die Gesellschaft zur Förderung der Verhaltenstherapie (GVT) gründete; andererseits Paul Matussek (1919-2003), der sich an Psychoanalyse und teilweise an philosophischer Anthropologie und kritischer Theorie orientierte und von 1965 bis 1984 Direktor der Forschungsstelle für Psychopathologie und Psychotherapie war, die am Münchner Institut angesiedelt und zugleich ausgegliedert war.
Beim Nachzeichnen institutioneller Grenzziehungen werde ich betonen, dass die Hauptkonflikte zwischen beiden Parteien auf zwei Ebenen stattfanden:
Erstens in expliziten Bezug auf den Zugriff auf das Psychische: Gerade die Entgegensetzung zwischen den selbsterklärten naturwissenschaftlichen Methoden der Verhaltenstherapie auf der einen Seite und der psychoanalytischen Theoriepraxis auf der anderen Seite erwies sich als Konfliktlinie.
Die zweite, implizitere Ebene stellte der Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit dar, die von Ambivalenzen geprägt war.
Während am Institut durchaus einige personelle wie konzeptuelle Kontinuitäten bestanden, beschäftigte sich Matussek zunehmend (und durchaus assoziativ) mit den Effekten der Konzentrationslagerhaft oder der Psyche Hitlers.
Diese zunehmenden Ausschlussbewegungen werde ich im Sinne einer Latourschen Reinigungsarbeit behandeln, die die sich dort herausbildende Verhaltenstherapie zunächst vom vermeintlich theoretisch wie ideologischen Ballast zu reinigen schien.
Lisa Malich hat Psychologie an der Freien Universität Berlin und an der Indiana University in Bloomington studiert und befindet sich seit 2011 in der Ausbildung zur tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapeutin. Von 2009 bis 2011 war sie Stipendiatin des Graduiertenkollegs ‚Geschlecht als Wissenskategorie’ an der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 2012 bis 2015 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medizingeschichte der Charité Berlin. In ihrer 2015 abgeschlossenen Dissertation beschäftigte sie sich mit Konzeptionen von Emotionalität in der Schwangerschaft. Seit 2016 ist sie Juniorprofessorin für die Wissensgeschichte der Psychologie und Psychotherapie an der Universität zu Lübeck. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Geschlechterstudien, Reproduktion, Psychologiegeschichte sowie Wissens- und Wissenschaftsforschung.
Department Psychologie
Sigmund Freud PrivatUniversität Berlin
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