Rüstungsindustrie und NS-Zwangsarbeit

Inmitten Berlins wurden von 1940 bis 1945 mehrere tausend Menschen auf dem Tempelhofer Flughafengelände zur Arbeit für die Weser Flugzeugbau GmbH und die Lufthansa gezwungen. Sie mussten dort Kampfflugzeuge bauen, reparieren und umrüsten. Die Zwangsarbeiter*innen kamen unter anderem aus Polen, der Sowjetunion, Frankreich, Bulgarien, Italien und Ungarn. Untergebracht waren sie in drei großen Barackenlagern auf dem Tempelhofer Flugfeld, die in den Jahren 2012 bis 2014 archäologisch untersucht wurden.

Während der Ausgrabungen wurden unter anderem die baulichen Überreste mehrerer Baracken freigelegt. Ein unterirdisch verlegter Stacheldrahtzaun verweist auf besondere Zwangsmaßnahmen gegen Kriegsgefangene aus der Sowjetunion, deren Inhaftierung in Tempelhof bislang umstritten war. Verschiedene Sonderfunde wie selbstgefertigte Kämme, aber auch unterschiedliche Flaschenverschlüsse bezeugen eine unterschiedliche Versorgung der in Tempelhof zur Arbeit gezwungenen Menschen. Selbstgefertigtes Spielzeug bezeugt das Bedürfnis, den Lageralltag ein wenig erträglicher zu gestalten.

Vorstellung des Forschungsprojekts: Derzeit werden die archäologischen Funde und ihr Fundzusammenhang in einem mehrjährigen Forschungsprojekt an der Freien Universität Berlin ausgewertet. Das Projekt soll helfen, den Lageralltag jenseits der schriftlichen Berichte und Akten der Täter*innen zu beleuchten und will dazu beitragen, das Erinnern an das große und allgegenwärtige Verbrechen Zwangsarbeit im Nationalsozialismus wachzuhalten.

Kurzvortrag zur Beteiligung der Psychologie in der NS-Zwangsarbeit: Ass.-Prof. DDr. Martin Wieser hält im Anschluss an die Vorstellung des Forschungsprojekts zur Zwangsarbeit am Tempelhof einen Kurzvortrag zur Beteiligung der Psychologie in der Zwangsarbeit. Mehrere hunderttausend sogenannter „Fremdarbeiter“ wurden während des Zweiten Weltkriegs anhand von psychologischen „Kurztests“ untersucht, um diese möglichst schnell und kosteneffizient in die Rüstungsproduktion einzuschleusen. Die Psychologie machte sich damit nicht nur zu einer Gehilfin in einem blutigen Vernichtungskrieg, sondern profitierte institutionell und finanziell vom Einsatz ihrer Methoden in der „kriegswichtigen“ Industrie.

Redner*innen
Kathrin Misterek, M.A. und Judith Stern, M.A. sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im Projekt „Auswertung der Funde der Grabungen auf dem Tempelhofer Flugfeld“ an der Freien Universität Berlin. Ass.-Prof. Dr Dr. Martin Wieser ist Assistenzprofessor für Theorie & Geschichte der Psychologie an der Sigmund Freud PrivatUniversität Berlin sowie Mitarbeiter im Forschungsprojekt „Psychologie in der ‚Ostmark‘. Zwischen Ideologie und Dienstbarkeit.“