Wissenstransfer von psychologischen Konzepten und Praxen am Beispiel Irak: Politische Interessen, De-Kontextualisierung und koloniale Mechanismen 

Assistenz-Professorin für Sozialpsychologie und interkulturelle Praxis, SFU Berlin

email: karin.mlodoch(at)sfu-berlin.de

Mit dem Vormarsch der Terrormiliz „Islamischer Staat“ in Irak und Syrien 2014 und der Spur von Tod, Leid und Zerstörung, die sie hinterließ, ist der Irak einmal mehr in den Fokus internationaler Hilfe gerückt. Ein Schwerpunkt ist dabei die psychosoziale Unterstützung der Überlebenden von Gewalt. Unter dem Oberbegriff „scaling up mental health and psychosocial services – MHPSS” investieren internationale Geldgeber und Organisationen in „Resilienzstärkung“ über psychosoziale und Traumaprojekte und die Qualifizierung lokaler psychologischer und psychosozialer Fachkräfte. Ausgehend von eigenen Erfahrungen in der Arbeit mit Überlebenden von Gewalt im Irak werden im Vortrag die mit dem psychosozialen Fokus verbundenen politischen Interessen und Tendenzen zur Entpolitisierung von Gewalt und Individualisierung ihrer Folgen ebenso hinterfragt wie koloniale Annahmen und Mechanismen im West-Ost-Transfer von psychologischen Konzepten und Tendenzen der De-Kontextualisierung und Überschreibung lokalen Wissens und lokaler Praxen. Am Beispiel eines gemeinsam mit irakisch-kurdischen Kolleg*innen entwickelten Kooperationsprojekts zur Systematisierung lokalen Wissens wird die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen der West-Ost bzw. Nord-Süd-Zusammenarbeit in solchen oder weitergehenden Ansätzen von Kolleg*innen aus dem globalen Süden zur Dekolonialisierung von psychologischem Wissen gestellt. 

Seit Oktober 2020 ist Karin Mlodoch Assistenzprofessorin für Sozialpsychologie und interkulturelle Praxis an der SFU Berlin. Sie ist Diplompsychologin, hat an der Freien Universität Berlin studiert und am Institut für Sozialpsychologie, Ethnopsychoanalyse und Psychotraumatologie an der Universität Klagenfurt/Österreich promoviert. Sie ist Gründungs- und Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft für Internationale Zusammenarbeit – HAUKARI e.V. und koordiniert seit 25 Jahren deren Projekte zur Unterstützung Überlebender von Gewalt und zum Empowerment von Frauen und jungen Menschen in der Kurdischen Region Irak und dem Irak.