Unter der Leitung von Prof. Dr. Georg Franzen (SFU-Berlin) und Dr. Julia Otto (Kunstmuseum Celle) wurde 2019 von Kunsttherapiestudierenden  der Sigmund-Freud-Universität Berlin in Kooperation mit dem Kunstmuseum Celle ein beachtenswertes Museumsprojekt durchgeführt.

Im Rahmen der bundesweiten Aktionswoche „Seelische Gesundheit“ war der Eintritt an den Aktionen und Workshops für alle Besucher kostenlos. In der Vernetzung und Verzahnung von kunsttherapeutischen Ansätzen und museumspädagogischen Konzepten fungierte das Museum als Ort der Begegnung von Kunst und Seele.

Dabei wurden folgende  projektorientierte Workshops im Kunstmuseum Celle  von den Studierenden angeboten:

  • Naira Bloss & Ulla Utasch | „Begegnung ist Kunst“ Joseph Beuys
  • Drazana Knezevic | „Die ersehnte Erfüllung“;
    Eine Werkbetrachtung zu Ben Willikens „Lichte Räume“
  • Dothea Osche | „Innerer sicherer Ort“;
    Eine Werkbetrachtung zu Bem Willikens
  • Naira Bloss & Ulla Utasch | „Licht“-Werkbetrachtung Lichtkunst im Innen- und Außenraum
  • Nina Pestke | „Sternenreise“ – Kunsttherapeutische Werkbetrachtung mit entspannungstherapeutischen Anteilen und kreative Exploration in Auseinandersetzung mit dem Lichtraum Otto Pienes

Einer der Hauptziele war dabei u.a. die Förderung der Teilhabe von Menschen mit psychischen Erkrankungen am kulturellen Erleben. Im Vordergrund stand allerdings für jeden Museumsbesucher die Möglichkeit eine  intensiven Begegnung mit dem  Kunstwerk über vertiefte   sinnlich-symbolische Erfahrungen zu erleben.

Eine symbolische Erfahrung ist mit psychischer Energie besetzt. Diese psychische Energie vermittelt sich durch das Kunstwerk. Der Betrachter kann sich auf die Bilderwelten einlassen und einen energetisch besetzten Beziehungsraum erleben, der dann zugleich bewusste und unbewusste Prozesse auslösen oder in Gang setzen kann.

Erst ein wirkliches Einlassen auf das Kunstwerk bzw. den Kunstraum ermöglicht eine entsprechende Erfahrung. Hier werden die Teilnehmer zunächst aufgefordert sich zu entspannen, anzukommen, um sich dann in Ruhe auf das Kunstwerk einzulassen. Aufgabe ist es, in das Kunstwerk einzutauchen und sich wirklich Zeit dafür zu nehmen.

Die Museumsbesucher wurden dazu angeleitet , sich Zeit für ein Kunstobjekt zu nehmen, um in einen Dialog mit der Kunst zu gelangen. Hier standen dann Fragen zum Werk, Fragen zur Interaktion mit dem Werk bis hin zu Fragen zur eigenen Person und dem eigenen Leben und Fragen zur Werkerfahrung im Vordergrund. 

Der kunsttherapeutische Prozess beinhaltet Wege des Entdeckens, Gestaltens, Loslassens, Verwerfens, Annehmens, Bearbeitens und Veränderns. Über die gestaltete Materie wird Gewohntes hinterfragt, werden Bewegungen wahrgenommen, Zusammenhänge zum zurückliegenden Prozess erkannt und Verbindungen zur augenblicklichen Situation hergestellt. Starre und feste Formen sowie Fragmentierungen drücken sich im Prozess und in der Materie aus. Es entsteht ein Weg, die alte Form zu verändern und Neues zu entdecken und zu verwirklichen. Der kreative Prozess, der über das Malen und Gestalten im Außen stattfindet, ist Ausdruck und Spiegelbild der Innenwelt.

Im Vordergrund steht die Einfühlung in das Kunstwerk, eine wichtige Voraussetzung um den „Sinn-Gehalt“ zu verstehen und etwas von der „Psychischen Energie“ des Kunstwerkes aufzunehmen:

  • Eigene Vorstellungen, Gefühle, Erinnerungen, Auffassungen, Meinungen und Phantasien aus der Vergangenheit als eigenen Persönlichkeitsanteil in Beziehung zum Kunstwerk zu erfahren und zu verstehen.
  • Etwas über den eigenen ästhetischen Standpunkt zu erfahren, um symbolisches Verstehen auch aus einer künstlerischen Sichtweise zu reflektieren.

Es gestaltet sich eine Beziehung zwischen Kunstwerk und Betrachter, die ein Nacherleben des künstlerisch-symbolhaften Inhaltes ermöglicht:

  • Wie erlebe ich diese Bilderwelten?
  • Wie nehme ich diese sinnliche Erfahrung wahr?

In einem Kunstwerk sind tatsächlich alle Emotionserfahrungen angelegt – und es finden immer auch diejenigen von ihnen den Weg zum Betrachter, die ihm vielleicht am Fernsten liegen. Kunstwerke sind aufgrund ihrer Vielschichtigkeit in der Lage, eine reichhaltige Palette an Assoziationen und Reaktionen für Patient*innen zur Verfügung zu stellen.

Derzeit wird eine Buchveröffentlichung (2023) vorbereitet, in der die durchgeführten Praxisprojekte von den Studierenden und Lehrenden vorgestellt , erörtert und Prozesse beschrieben, dokumentiert und reflektiert werden. In der Studie  geht es darum, die Möglichkeiten der rezeptiven Kunsttherapie im Museumsbereich auszuloten.